Als ich ein Kind war, gingen wir jeden Sonntag am Rhein spazieren, denn der lag fast vor unserer Haustür. Der Fluss roch nach Fisch, nach Öl und den Abgasen der Schiffe. Ich bewunderte die Bugwellen, die die Lastkähne vor sich her schoben, und wir dachten uns Geschichten darüber aus, wo sie wohl herkamen und wohin sie fuhren. So fing es an mit dem Erzählen. Und mit mir in der Stadt Köln.
Ich war mir damals sicher, den Rhein von unserem Badezimmerfenster aus sehen zu können. Dem Badezimmer, in dem man das Wasser für eine Badewanne in einem Ofen erwärmen musste. Während ich wartete, stellte ich mich auf einen Stuhl am Fenster und sah den Rhein und am Ufer eine Trauerweide. Vielleicht sah ich aber auch nur die Trauerweide und musste dann stundenlang darüber nachdenken, warum ein Baum so traurig sein konnte, dass er sogar seinen Namen danach bekam.
Als ich dann mit acht Jahren wegziehen musste in einen anderen Teil von Köln, war ich selbst sehr traurig, denn nun gingen wir sonntags nur noch selten am Rhein spazieren. Dafür gab’s in dem Vorort, in dem wir nun wohnten, eine Bibliothek! Einmal wollte mir die Frau dort am Schalter ein Buch nicht geben, weil sie fand, ich wäre noch zu jung für einen Krimi! Aber ich bin trotzdem immer wieder hingegangen, hab die einzelnen Abteilungen durchforstet und bin mit Stapeln von Büchern nach Hause gegangen. So fing es an mit mir und dem Lesen und irgendwo in meinem Innern wuchs die Sehnsucht, selbst auch zu schreiben, was in Bücher passt.
Eine der ersten eigenen Geschichten entstand, als ich 11 oder 12 Jahre alt war, nachdem ich den schwarz-weiß Klassiker „Frankenstein“ im Fernsehen gesehen hatte. Das von Menschen erschaffene Monster mit seinen riesenhaften Kräften wird am Ende von eben diesen Menschen in eine Falle gelockt und kommt in einem Feuer zu Tode. Das fand ich so gemein und ungerecht, dass ich mir ein anderes Ende ausgedacht habe, ein Ende, bei dem das Monster, das gar nichts dafür konnte, ein Monster zu sein, den anderen zeigen kann, welche guten Seiten es hat.
Im Grunde genommen ist es dabei geblieben. Ich hab studiert, drei Kinder bekommen, bin sehr viel durch die Welt gereist und dabei ist mir die Sehnsucht nach den Geschichten, den eigenen und den anderen, immer geblieben. Sie aufzuspüren, mich in sie hinein zu begeben, sie zu lesen oder selbst zu schreiben ist das Beste und manchmal auch das Anstrengendste, was ich mir vorstellen kann. Auf jeden Fall kann man damit glücklich sein.